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Schwarz-Weiß-Panorama der Zeche Zollern mit den Gebäuden rund um den Ehrenhof aus dem Jahr 1904. Foto: Siemens-Archiv

Geschichte der Zeche Zollern

Schloss der Arbeit, Familienpütt und Ikone der Industriekultur

Der Name des Bergwerks im Dortmunder Westen erinnert an die Fürstenfamilie der Hohenzollern. Aus dieser Familie stammten die preußischen Könige und deutschen Kaiser. Vor allem zur Zeit der Reichsgründung von 1871 waren patriotische Zechennamen im Ruhrgebiet nicht selten. Beispiele sind „Friedrich der Große“ in Herne und „Unser Fritz“ in Wanne-Eickel, „Graf Bismarck“ in Gelsenkirchen und „Deutscher Kaiser“ in Duisburg.

Die Anfänge

Bereits 1873 nahm eine erste Zollern-Zeche in Kirchlinde im Dortmunder Westen die Kohlenförderung auf. Die heutige Zeche Zollern II/IV verdankt ihre Entstehung dem sogenannten „Westfeld“ des Kirchlinder Bergwerks. Aufgrund einer geologischen Verwerfung wäre die Erschließung vom vorhandenen Schacht Zollern I aus nur mühsam zu bewerkstelligen gewesen. Daher beschloss die Gelsenkirchener Bergwerks-AG (GBAG) im Jahr 1897, einen zweiten Schacht in der Nähe der Ortschaft Bövinghausen abzuteufen und kaufte das erforderliche Bauland an.

Aufgrund von unerwartet ergiebigen Kohlevorkommen errichtete man seit 1898 nicht nur eine weitere Schachtanlage, sondern eine komplett neue Zeche mit allem, was dazugehört: einem weiteren Schacht für die Bewetterung (Zollern IV), einem eigenen Verwaltungsgebäude, mit Lohnhalle und Waschkaue, Magazin und Zechenwerkstätten, Kokerei und Ammoniakfabrik. Die Kohlenförderung wurde bereits 1902 in bescheidenem Ausmaß und 1903 in vollem Umfang aufgenommen. 1904 waren auch die Betriebsbauten über Tage im Wesentlichen fertiggestellt. Ein Jahr später lobt ein gedruckter Reiseführer „den majestätischen Aufbau“ der Zeche Zollern II/IV, „der mehr einem feudalen Schlosshofe als einer Industriestätte ähnelt, sowie die Maschinenhalle, deren Größe und Schönheit die der meisten Prunksäle übertrifft“.

Musterzeche

Nach einem furiosen wirtschaftlichen Aufschwung herrschte damals industrielle Hochkonjunktur in Deutschland. Allein in den 1890er Jahren entstanden mehr als 70 neue Schachtanlagen im Ruhrrevier. In Konkurrenz zueinander wollten die großen Bergbaugesellschaften ihren Führungsanspruch jeweils durch den Bau von besonders qualitätsvollen Musterzechen mit Vorbildcharakter unterstreichen. Viele dieser neuen Bergwerke entstanden als Gesamtkunstwerke, als Bauensembles aus einem Guss. Die einzelnen Gebäude wurden planvoll einander zugeordnet, die Fassaden harmonisch gestaltet und aufwendig verziert.

Zollern II/IV entstand als Musterzeche der damals größten deutschen Bergwerksgesellschaft. Im Vorfeld der entscheidenden Planungen stellte die GBAG mit Paul Knobbe einen renommierten Architekten ein. Er schmückte die Schaufassaden der Zeche mit prachtvollen neugotischen Staffelgiebeln. Beim Verwaltungsgebäude, dem Sitz der Zechenleitung, sollte diese „Beeindruckungsarchitektur“ das Repräsentationsbedürfnis der Bergwerksgesellschaft im nationalen und internationalen Geschäftszusammenhang unterstreichen, im Fall der monumentalen Lohnhalle den Autoritätsanspruch der Zechenleitung gegenüber ihrer Belegschaft.

Im April 1902 legte Knobbe auch für die Maschinenhalle der neuen Zollern-Zeche einen Entwurf vor. Dabei dekorierte er die Außenwände mit Ziegelfriesen, Ziergiebeln und Zinnen deutlich reicher, als dies bei solchen Hallen damals üblich war. Auf diese Weise wollte er offenbar die zentrale Bedeutung des Bauwerks für einen modernen, leistungsstarken Zechenbetrieb betonen.

Jugendstil

Bei der Entscheidung für eine Maschinenhalle aus Stahlfachwerk spielte vermutlich die Erwartung einer kurzen Bauzeit eine wichtige Rolle, denn die GBAG stand in der Pflicht, die reguläre Förderung innerhalb weniger Monate aufzunehmen.  Die Zechengesellschaft unterlief dann aber ihren eigenen Zeitplan, indem sie bei der Maschinenhalle einen besonders großen Gestaltungsaufwand wünschte. Ein erster, schlichter Entwurf der GHH musste mehrfach nachgebessert werden. Hierbei widmete sich der nachträglich zugezogene Architekt Bruno Möhring aus Berlin vor allem dem repräsentativen Querhaus, das er durch Farbfenster mit Mosaikbahnen und durch ein kunstvolles Jugendstil-Portal überaus qualitätsvoll schmückte. Ein solches Portal gibt es kein zweites Mal in einem Industriebau in Europa!

Im Innenraum zielt die zentrale Blickachse von diesem Prachtportal aus direkt auf die elektrische Schaltwand aus Marmor, die vor der gegenüberliegenden Querschiffwand auf einem mehrstufigen Podest steht, dominiert von einer schön gestalteten Jugendstil-Uhr. Von hier aus wurde der gesamte technische Zechenbetrieb gesteuert. Diese Anordnung verklärt die elektrische Energie, denn Zollern II/IV war die erste voll elektrifizierte Zeche des Ruhrbergbaus. Die GBAG hatte bei der technischen Planung sämtliche zu beschaffenden Maschinen nach und nach von Dampfantrieb auf elektrischen Strom umgestellt. Von dieser Modernisierung erhoffte man sich eine erhebliche Reduzierung der Betriebskosten.

Maschinenhalle

Maschinenhallen, das heißt zentrale Hallen für mehrere Maschinen von unterschiedlicher Funktion, entstanden im Ruhrbergbau im Wesentlichen zwischen 1895 und 1914. Zuvor hatte man die einzelnen Dampfmaschinen eines Bergwerks jeweils in einem eigenen Maschinenhaus in der Nähe des dazugehörigen Schachts platziert. Vor allem bei den neuen Musterzechen fasste man diesen Maschinenpark, zu dem nun auch dampfbetriebene Ventilatoren zur Bewetterung des Untertagebereichs sowie Kompressoren zur Drucklufterzeugung gehörten, möglichst an einer Stelle zentral zusammen. Dies erleichterte die Wartung und Aufsicht und gestattete kurze Dampfleitungen, die den Energieverlust stark verringerten.

In den Zechen des Ruhrgebiets sind damals mehr als 80 Maschinenhallen errichtet worden. Dabei war die  Ausstattung keineswegs einheitlich. Auf Zollern II/IV standen ursprünglich drei Maschinengattungen in der Halle: im östlichen Langhaus zwei Dampfmaschinen mit angeschlossenen Generatoren zur Stromerzeugung, im zentralen Querschiff zwei Kompressoren für die Druckluftherstellung, im westlichen Langhaus zwei Fördermaschinen. Heute sind davon noch die beiden Fördermaschinen sowie ein Kompressor von 1902 im Original vorhanden.

Der Planentwurf Knobbes, der ein Bauwerk aus massivem Ziegelmauerwerk vorsah, wurde nicht realisiert. Stattdessen entschied sich die GBAG für eine moderne Halle aus unverkleidetem Stahlfachwerk. Als Vorbild diente der Ausstellungspavillon der Gutehoffnungshütte (GHH) auf der Düsseldorfer Industrieausstellung von 1902 – ein Gebäude, das damals großes Aufsehen erregte. Die innovative Stahlfachwerk-Architektur des Pavillons sollte werbewirksam auf die Produkte des Stahlkonzerns hinweisen, die im Innenraum präsentiert waren. Mehr noch als Steinkohle galt Stahl damals als Markenzeichen für industriellen Fortschritt. Aufgrund neuer Produktionsverfahren expandierte die deutsche Stahlherstellung zwischen 1880 und 1913 von 2 auf 17 Millionen Tonnen pro Jahr. Im Zusammenhang mit ihrem Düsseldorfer Vorbild kann man auch die Zollern-Halle als Symbol für die erfolgreiche Montanindustrie des Ruhrgebiets interpretieren.

Elektrische Fördermaschine

Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Fördermaschine von 1902. Hierbei handelt es sich um die erste elektrisch betriebene Hauptschacht-Fördermaschine im europäischen Bergbau.

An kleineren Blindschächten waren bereits in den 1890er Jahren vereinzelt kleine elektrische Fördermaschinen in Einsatz. Bei Hauptschächten, wo tonnenschwere Gewichte in kurzer Zeit beschleunigt werden mussten, galt eine elektrisch betriebene Förderung im Vergleich zur Dampfmaschine damals als zu risikoreich. Der enorme Energiebedarf beim Anfahren hätte regelmäßig zum Zusammenbruch der wenig leistungsfähigen Zechenstromnetze geführt.

Mit Inbetriebnahme der Fördermaschine von Schacht Zollern II galt dieses Problem kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts als bewältigt. Die technische Lösung bestand in einer  Kombination einer von dem Amerikaner Harry Ward (1861–1915) im Jahre 1891 patentierten Schaltung mit dem von Karl Ilgner (1862–1921) entwickelten Schwungradumformer. Damit konnten die Spannungsschwankungen auf ein tolerables Maß gesenkt werden.

Vom Bergwerk zum Museum

Zollern II/IV zählte nicht zu den Großzechen des Reviers, sondern entwickelte sich zu einem klassischen Familienpütt. Die Belegschaftszahl schwankte zumeist zwischen 1500 und 2500 Beschäftigten.

Die Betriebsgeschichte verlief wenig spektakulär. Beim Tagesbetrieb wurde bald eine Reihe von technischen Planungsmängeln offenkundig, die dem Anspruch einer Musterzeche zuwiderliefen. 1930 beschloss die GBAG, die Kohlenförderung mehrerer Grubenfelder im Dortmunder Westen künftig in einem neu abzuteufenden Zentralschacht Germania zu konzentrieren.

Zollern II/IV sollte bis zur Betriebsaufnahme dieses Schachts auf Verschleiß gefahren werden. Eine Modernisierung großen Stils, die zu erheblichen Eingriffen in die Baustruktur geführt hätte, war für das Bövinghauser Bergwerk nun nicht mehr vorgesehen. Dieser Entscheidung verdankt die Musterzeche, dass sie in ihrem originalen Baubestand im Wesentlichen bis zum Ende der Förderung (1955) erhalten blieb. Trotzdem gab es mehrfach Eingriffe in die Bausubstanz. So wurde bereits 1918 die Kokerei außer Dienst gestellt und bald danach abgerissen. Durch die Demontage des Fördergerüsts über Schacht IV wurde 1940 das symmetrische Zechenpanorama merklich gestört.

Ihre Rettung gelang dank des hartnäckigen Engagements einer kleinen Zahl von Personen, die von der exemplarischen Qualität der Anlage begeistert waren und sich nicht beirren ließen. Vorrangig zu nennen sind hier der Dortmunder Hochschullehrer und Architekt Hans Paul Koellmann und das Fotografen-Ehepaar Bernd und Hilla Becher. Der entscheidende Durchbruch zur Rettung der gefährdeten Maschinenhalle gelang, als Karl Ruhrberg und Jürgen Harten von der Kunsthalle Düsseldorf am 30.10.1969 einen Brandbrief an Heinz Kühn, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, schickten. Am 30.12.1969 teilte der westfälische Landeskonservator Hermann Busen der Eigentümergesellschaft von Zollern II/IV amtlich mit, der Ministerpräsident habe ihn gebeten, die Maschinenhalle sowie die Fördermaschine von 1902 unter Denkmalschutz zu stellen und dem geplanten Abbruch die Genehmigung zu versagen.

Als direkte Folge dieser Rettungsaktion schufen die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) 1973 beziehungsweise 1974 eigene Referate für Technische Denkmalpflege in ihren Landesdenkmalämtern. Im Vergleich zu den übrigen deutschen Bundesländern war dies eine Pioniertat.

Im Westfälischen Denkmalamt wurde die Idee entwickelt, ausgewählte Industriebauten als “Museen der Arbeit” zu nutzen. 1979 erfolgte die Gründung des Westfälischen Industriemuseums (seit 2007: LWL-Industriemuseum). 1984 zog der Landschaftsverband Rheinland mit der Gründung des LVR-Industriemuseums nach. Zentrale Aufgabe dieser beiden Museen ist die Erforschung der Geschichte der Arbeit und ihre Darstellung am originalen Schauplatz, im historischen Industriegebäude und angrenzenden Arbeiterhaus. Nach umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen wurde die Zeche Zollern 1999 als Museum der Öffentlichkeit übergeben.